Nur nicht aufgeben!

Nur nicht aufgeben

Kennst du das auch? Auf deiner Festplatte lagern ein paar Texte, die du angefangen, aber nie fertig geschrieben hast.

Du hast ein Handarbeitsprojekt, bei dem du nicht so richtig weiterkommst. Und du solltest die Ausbildung wirklich fertig machen.
Wir alle kommen bei unseren Projekten irgendwann (oder regelmäßig) an den Punkt, an dem wir uns überlegen, ob wir nicht besser aufgeben.

Das Ding beenden.
In Schande davon kriechen oder endlich befreit sein.
Was von beiden passiert, wenn wir aufgeben? Und wann sollten wir es tun und wann besser nicht?


Diese Fragen möchte ich hier näher beleuchten.

Ich habe da jetzt schon so viel reingesteckt.

Das Phänomen ist als Problem der „verlorenen Kosten“ (sunk fallacys) bekannt. Es beschreibt das Gefühl, man könne doch jetzt nicht aufgeben, nachdem man in das Projekt schon so viel Zeit und Geld investiert hat. Wir haben alle eine Verlustaversion, es fällt uns also schwer, etwas herzugeben, was uns schon gehört.

Wenn wir ein Projekt ohne Ergebnis beenden, fühlt es sich so an, als hätten wir die Investitionen, die wir dort hineingesteckt haben, verloren. Als wären sie quasi geklaut worden. Und das mag unser Unterbewusstsein nicht.

Lieber ruinieren wir unsere Gesundheit und unsere Beziehungen (und vielleicht auch unser Konto), nur um etwas fertig zu machen.

Ein ähnliches Phänomen kann man auf dem Flohmarkt beobachten. Die Verkaufenden halten alles für sehr viel wertvoller als die Person, die es vielleicht kaufen möchte. Würde man es objektiv schätzen lassen, dann läge der Preis nicht etwa in der Mitte, weil ja beide ein gutes Geschäft machen wollen, sondern eher auf der Seite des Käufers.

Gewerbliche Verkäufer haben eine objektivere Einstellung zu ihrer Ware, da sie ja den Markt und die Preise kennen müssen, um konkurrenzfähig sein zu können.
Bei der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, um ein Projekt abzubrechen, sollte man also versuchen, das ganze professioneller zu sehen. Ist der zu erwartende Ertrag so hoch, dass es sich lohnt, weitere Ressourcen in das Projekt zu stecken? Die Krux besteht dann darin, z.B. die Auswirkungen auf Beziehung und Gesundheit korrekt zu bewerten. Hier kann es z.B. helfen, alle Faktoren aufzulisten und ein Punktesystem zu entwickeln. Was für dich wichtig ist, bekommt viele Punkte. Und am Ende zählst du die Pro- und Kontra-Punkte zusammen.

Das neue Projekt wird viel besser

Gerade Autorinnen kennen das: Die neue Romanidee ist einfach so viel besser als die alte. Aber auch bei anderen Bereichen kommt ständig etwas neues ums Eck.

Es gibt das noch bessere Trainingssystem, die Influenzerin A hat eine absolut narrensichere Diät vorgestellt und kein Mensch lernt mehr Java, ein KI-Kurs muss jetzt her.

Doch wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass wir nur durch Dranbleiben Erfolge erzielen werden.

Auch wenn uns die Werbung ständig einreden will:

Nichts wird durch ein Produkt oder eine Idee besser, wenn wir es nicht umsetzen.

Auch die super teure Gesichtscreme wirkt nur, wenn wir sie regelmäßig verwenden und endlich die Sonne meiden.

Ganz schlimm wird es, wenn die Algorithmen dir ständig neue Trainingssysteme vorschlagen, weil du eben mal danach gesucht hast.

Du klickst natürlich trotzdem drauf, schließlich interessiert dich das Thema ja. Und dann befindest du dich in einer Endlosschleife und kommst gar nicht dazu, deine eigentliche Routine zu einem Erfolg zu führen.

Und dann gibst du frustriert auf. Wie du aus solchen Endlosschleifen, egal ob mit Katastrophennachrichten oder neuen Diäten herauskommst, kannst du in meinem Ratgeber nachlesen.
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Aufgeben ist für Looser


Egal wie froh wir sind, das Projekt endlich los zu sein.

Egal, wie vernünftig die Entscheidung zum Aufgeben war:

Irgendwo in uns nagt es.

Eine kleine Stimme macht uns fertig und lässt uns deutlich spüren, was für eine Versagerin wir doch sind.

Oder es sind reale Stimmen da draußen.

Die Eltern, die ihrem Sohn vorhalten, dass er schon wieder nichts auf die Reihe bringt.

Die Vorgesetzte, die kein Verständnis hat, wenn der Mitarbeiter das Projekt für gescheitert erklärt.

Wir haben eine (Arbeits-) Kultur, die das Durchbeißen und Erdulden hoch anrechnet. Wir feiern den Polarforscher, der sich bis zum Südpol durchgekämpft hat und verachten den, der keine Menschen in seiner Expeditionsgruppe mehr opfern will und deshalb umkehrt.

Das irdische Leben ist in unserem Denken immer noch ein Jammertal und in den Himmel kommt nur, wer seine Pflicht tut.

Und aufgeben heißt eben auch, die eigenen Bedürfnisse wertzuschätzen und sich nicht zum Ziel zu prügeln.

Genau hinzusehen und bei jedem Schritt abzuwägen, ob der Weg noch der richtige ist. „Wer A sagt, muss auch B sagen.“

Der Spruch klingt logisch, macht aber bei genauem Hinsehen überhaupt keinen Sinn mehr.

Warum ich Sinnsprüchen überhaupt kritisch gegenüberstehen, liest du hier

Warum muss ich zwangsläufig den Weg bis zum bitteren Ende gehen, nur weil ich mit etwas einmal angefangen habe?

Warum kann ich nicht bei jeder Gabelung auch den Rückweg in meine Entscheidungen mit aufnehmen?

Wer die Entscheidung trifft, aufzugeben, muss sich klar machen, dass er vor sich selbst und den anderen viel rechtfertigen muss. Um so wichtiger ist es, dann bei seinem Entschluss zu bleiben und sich nicht von den anderen verrückt machen zu lassen.

Ich kann das nicht (mehr)

Bei jedem langen Projekt kommen wir irgendwann im langweiligen und mühseligen Mittelteil an.

Als Autorin fürchte ich das so wie jede andere, die schreibt. Das Ende ist spannend und schnell geschrieben.

Am Anfang freut man sich auf die neue Welt und die spannenden Figuren, die man darin erschaffen kann.

Aber das Neue ist bald erschöpft und man hat das Gefühl, der Roman wird einfach nicht länger.

Selbst wenn man seine Wörter zählt, es erscheint hoffnungslos.

Genauso ist es bei Ausbildungen.

Zunächst ist alles neu. Natürlich ist es viel und man ist ein klein bisschen überfordert. Aber irgendwie wird man schnell besser und die Mühe lohnt sich.

Und dann kommt das Plateau. Beim Training sind die Anfangserfolge mittlerweile Gewohnheit und man hat das Gefühl, es ist egal, wie viel man macht, es geht nur in Minischritten weiter.

Sieht man dann nur die, die das Ganze schon seit Jahren praktizieren, erscheint alles hoffnungslos.

Ich werde nie da landen, wo die sind, und warum sollte ich mich hier überhaupt quälen?

Leider kann ich dir da keinen Geheimtrick zeigen, wie durch dieses Tal der Mühen durchkommst. Du musst da einen Schritt vor dem anderen machen und dranbleiben.

Aber ein paar Gedanken können hilfreich sein:

Schau nach hinten.

Erinnere dich, wie du angefangen hast (und vor allem warum!).

Und dann feiere dich für den Fortschritt, den du schon gemacht hast.

Führe Buch und vergleiche dich nicht mit gestern, sondern immer wieder auch mit deinem Anfänger-Ich.

Wenn du das Gefühl hast, komplett festzustecken: Hol dir Hilfe.

Sprich deine Trainerin oder deinen Lehrer an. Schließ dich mit Gleichgesinnten zusammen (z.B. den Münchner Schreiberlingen).

Du bist sicher nicht die Erste, die in diesem Sumpf feststeckt und ein verbesserter Trainingsplan kann Wunder wirken.

Versuche, eine Gewohnheit zu etablieren und hör auf, vor jeder Einheit wieder die Sinnfrage zu stellen.

Ja, du sollst immer mal wieder nachdenken, ob du auf dem Weg bleiben willst. Aber nicht, wenn du deine Sporttasche packen müsstest oder den Computer mit dem Schreibprogramm hochfahren willst.

Ich gebe ständig auf, irgendwas muss ich mal durchziehen

Es gibt Menschen wie mich, die besonders gefährdet sind, ständig ein neues Projekt anzufangen und nie was fertig zu bekommen.

Wir nennen uns Multipotentialites oder auch Scannerpersönlichkeiten. Jene Menschen, die viele Interessen und Begabungen haben und immer mehrere Feuer im Eisen.

Aber auch wir müssen uns ein Leben aufbauen und wollen Ergebnisse sehen.

Ich versuche, immer mehrere Interessen parallel zu verfolgen. Mal hat das eine Priorität, mal das andere.

Und manchmal klemme ich mich auch deshalb hinter ein Projekt, um es abzuschließen, damit wieder Raum für neues ist. Wen es dir geht wie mir, dann empfehle ich bei Emilie vorbeizusehen oder ihr Buch „how to be everything“ zu lesen.

Ich bin mir sicher, eine der Methoden, die sie vorschlägt, funktioniert auch für dich.

Wenn du aber wirklich nie etwas zu Ende bringst, empfehle ich dir dringend professionelle psychologische Hilfe. Dahinter können sich ernsthafte Probleme verstecken und es hilft nichts, wenn du dich jedes Mal fertig machst, nachdem du gescheitert bist.

Sollst du das Projekt jetzt durchziehen? Oder gibst du es doch lieber auf? Wie du gesehen hast, spielen viele Punkte dort hinein.

Wie auch immer du dich aber entscheidest: Es ist dein Leben und deine Energie, über die du ganz alleine verfügen musst. Wenn du also gut überlegt und alles berücksichtigt hast, dann zieh es durch und sei stolz auf dich. Auch wenn du aufgeben hast.

Mit welchem Projekt hast du am meisten gehadert oder steckst du gerade in so einem Entscheidungsprozess?

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