Warum wir keine funktionierende Maschine sein sollten

Warum wir keine funktionierende Maschine sein sollten Grenzen setzen, Bedürfnisse respektieren, tüchtig sein

Als Kind war für mich immer das größte Lob, wenn meine Mutter mich oder jemand anderes als tüchtig bezeichnet hatte.

Diese Person hat nicht nur funktioniert und das Nötige gemacht, sondern es klang als nahezu perfekt, als etwas, was auf jeden Fall zu erreichen war.
Doch wie war man denn tüchtig?

Indem man etwas leistet. Dinge erledigt bekommt. Nützlich ist.


In meiner Vorstellung war da die Hausfrau, die alles tipp topp in Ordnung hatte, brave Kinder in sauberer Kleidung herzeigen konnte und natürlich noch gestrickt und Gemüse eingelegt hat.

Selbstverständlich ist eine tüchtige Person nie müde, gereizt oder wütend. Das Wort „tüchtig“ impliziert ja, dass man nicht überfordert sein kann.

Weil dann ist man eben untüchtig. So wie im Begriff „Fahruntüchtig“.

Und das will ich ja auf gar keinen Fall sein.

Arbeitsuntüchtig, oder gar lebensuntüchtig.


Also strengt man sich an. Erledigt alle anfallenden Arbeiten. Nimmt noch eine Portion dazu.
Wir kennen sie alle:

Die tüchtige Kollegin, die noch das verhasste Projekt übernimmt, obwohl sie schon ständig Überstunden macht.

Die Mutter, die den Weihnachtsbasar für den Kindergarten organisiert, weil sich doch alle so darauf freuen.

Der tüchtige Kollege, der auch die schwierigen Kunden im Griff hat.


Was sie alles gemeinsam haben: Sie stellen die Pflicht über die eigenen Bedürfnisse.

Sie jagen einem Ideal nach, dem sie nie genügen können. Und ja, sie werden gelobt und bekommen ihre Anerkennung als „tüchtig“.

Aber sie bekommen eben auch all die ungeliebten Projekte, die Extra-Aufgaben und das Unverständnis, wenn sie doch einmal etwas nicht erledigen können oder wollen.


Ich bin sehr dafür, dass wir alle einen Beitrag zur Gemeinschaft liefern.

Egoismus und Faulheit definitiv keine Lösung.


Und dennoch ist mein Mantra: „Ich muss gar nichts, nur hier sitzen und atmen. Alles andere ist eine Entscheidung.“
Und diese Entscheidung sollte wohl bedacht sein.

  1. Muss diese Tätigkeit überhaupt sein? Bringt sie einen Nutzen für mich, die anderen? Oder schadet sie eher? Ja, man kann ruhig mal darüber nachdenken, ob z.B. dieses wichtige Projekt nicht eine Unmenge an Müll produziert und schon aus diesem Grund besser nicht durchgeführt wird. (ich denke da an die Dekoorgien, die oft bei Veranstaltungen stattfinden).

  1. Muss ich das machen? Bin ich überhaupt qualifiziert dazu oder komme ich da in eine massive Überforderung und es kann eigentlich gar nicht gut werden? Vielleicht kann das jemand anderes erledigen und ich mache dafür etwas, was mir leichter von der Hand geht.

  1. Umgekehrt: Nur weil ich etwas kann, muss ich es nicht automatisch auch machen. Ich mag in der Sache die Kompetenteste sein. Aber auch meine Ressourcen sind begrenzt und all die anderen werden das nie lernen, wenn sie es nicht auch mal ausprobieren können.

  1. Was erwarte ich mir von der Tätigkeit? Mache ich es nur, weil ich „tüchtig“ dastehen will? Weil ich es immer schon gemacht habe? Weil es sich eben so gehört? Oder liegt mir die Sache am Herzen und ich habe das Gefühl, etwas wichtiges beizutragen? Der beste Grund ist immer noch: Weil es mir Spaß macht. Manche Dinge müssen einfach erledigt werden, aber das sind bei genauem Hinsehen sehr, sehr wenige.

  1. Und als wichtigste Prüfung: Wie geht es mir im Moment und mit dieser Aufgabe? Wie reagiert mein Körper? Habe ich Panik oder ist das nur normales Lampenfieber? Habe ich die körperlichen und psychischen Ressourcen, um das gut durchzuziehen oder muss ich mich da durchprügeln?

  1. Wenn ich nein sage, wird das wirklich die schrecklichen Konsequenzen haben, die mir mein Unterbewusstsein vorspielt? Oder bin ich nicht doch ein erwachsener Mensch, der seine eigenen Entscheidungen treffen und auch dazu stehen kann?

Wir haben immer noch das Bild im Kopf, dass der Mensch einen Wert haben muss, den er durch fleißiges Arbeiten erwirbt.

Und wer das nicht kann, ist eben wertlos. Untüchtig. Unbrauchbar.
Und was machen wir mit Unbrauchbarem? Ich denke, du siehst, wo das hinführt.

Machen wir es doch anders herum:
Jeder Mensch hat einen Wert an sich. Einfach, weil er oder sie existiert.

Auch du und ich. Wir müssen nicht funktionieren und tüchtig sein.


Weil wir dann auch aggressiv sind. Rücksichtslos gegenüber denen, die nicht so toll sind wie wir. Gegenüber unserer Umwelt. Gegenüber den Schwächeren. Und gegenüber uns selbst.


Wenn wir aber auf unsere Bedürfnisse und Grenzen achten und nur das tun, was wir nach reiflicher Entscheidung auch vertreten können, dann kann daraus Gutes entstehen.


Für uns, aber auch für alle anderen und diesen Planeten, den wir mit unserer Tüchtigkeit an den Rand seiner Möglichkeiten gebracht haben.

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