Warum komplex nicht kompliziert ist und was das für dich bedeutet.

Warum komplex nicht kompliziert ist und was das für dich bedeutet in einem roten Kasten vor Meeresbild

Engagieren in einer komplizierten Welt.


Warum lautet mein Slogan nicht: Engagieren in einer komplexen Welt?

Ist das nicht dasselbe?

Es ist jedes Mal das Gegenteil von einfach.

Aber es lohnt sich, da näher hinzusehen. Weil es einen Unterschied in der Herangehensweise machen kann, ob eine Sache komplex oder kompliziert ist.

Was bedeuten die Begriffe?

Kompliziert: Schwierig, aber grundsätzlich lösbar.
Komplex: Nicht in Einzelteile gliederbar, daher gibt es keine einfachen Lösungen, zum Teil ist das Thema gar nicht vollständig erfassbar.

Das Thema Politik

Die Wahl zum Bezirksausschuss ist kompliziert.

(Der Bezirksausschuss ist so etwas wie ein Gemeinderat für unseren Stadtbezirk, ich bin dort seit 15 Jahren dabei).

Dafür gibt es eine Reihe von Regelungen, die bei der Aufstellung der Kandidatinnen beginnt. Es muss für jede Bürgerin geklärt werden, ob sie wahlberechtigt ist (z.B. dürfen EU-Bürger hier wählen). Wie bekommt sie eine Wahlbenachrichtigung? Das ist in Deutschland durch das Meldewesen recht einfach. In anderen Ländern müssen sich die Menschen in ein Verzeichnis eintragen.
Dann muss die eigentliche Wahl organisiert werden. Also Wahllokale, Briefwahlmöglichkeiten, Wahlhelfer rekrutieren und so weiter. Wenn an einer dieser Stellen ein Fehler unterläuft, kann die Wahl ungültig sein. Daher sind manchmal komplizierte rechtliche Sachverhalte zu prüfen.


Das rein formale Prozedere ist aber nicht unbedingt komplex. Es kann in einzelne Teile untergliedert werden und ist klar geregelt. Arbeitet man die Vorgaben korrekt ab, funktioniert das wie bei einer komplizierten Maschine wie von selbst. Auch für Störungen ist vorgesorgt, es gibt Regeln, wie mit ungültigen Wahlzetteln umgegangen wird und was passiert, wenn jemand im Wahllokal uneinsichtig oder gar gewalttätig ist.


Wer dann am Ende im Bezirksausschuss sitzt, kann jedoch nicht vorhergesagt werden.

Denn das ist komplex.

Es hängt von so vielen Faktoren ab. Wer lässt sich aufstellen? Wissen alle, die dafür geeignet wären, von dieser Möglichkeit?
Welche Dynamiken herrschen in den jeweiligen Parteien? Gibt es zum Beispiel eine Quote für Frauen? Wie bekannt sind die einzelnen Kandidaten im Bezirk? Die Menschen wählen, wen sie kennen. Die Vorsitzende des örtlichen Sportvereins hat also unter Umständen bessere Chancen, gewählt zu werden als ihre Kollegin, die dort still die Buchführung macht.
Wer geht zur Wahl? Wie ist überhaupt die Wahlbeteiligung? Da spielt vom Wetter bis zur Erreichbarkeit des Wahllokales vieles hinein.
Umfrageinstitute versuchen, diese Faktoren in ihre Prognosen zu berücksichtigen. Dennoch liegen sie bei ungewöhnlichen Konstellationen oft deutlich daneben.

Routenplanung als komplexes Problem

Auch in anderen Bereichen sind die Dinge komplex. Durch die schiere Rechnerleistung, die mittlerweile zur Verfügung steht, sind manche Probleme auf eine beherrschbare Komplexität geschrumpft.
Früher war es z.B. zu komplex, eine optimale Route für einen Lieferwagen zu berechnen. Es gab einfach zu viele Möglichkeiten, als dass man es mit der (menschlichen) Rechenleistung in einer vernünftigen Zeit hätte lösen können. Also ist der Fahrer nach einer groben Planung mit Hilfe des Stadtplans losgefahren und hat die Route vielleicht über die Jahre an manchen Stellen optimiert.
Heute kann das jedes bessere Navi.
Denn kompliziert war das noch nie. Streckenlängen zu vergleichen ist eine einfache Übung, die auch nicht schwieriger wird, wenn man sie mehrmals nacheinander wiederholt.

Wie geht man also mit Komplexität um?

Man entwirft ein Modell, dass so viele einzelne Faktoren wie möglich beinhaltet, dennoch aber so einfach ist, dass man die wichtigsten Dynamiken erkennen und notfalls beeinflussen kann. Ein Klimamodell kann also mit ziemlicher Sicherheit voraussagen, dass es wärmer wird.
Aber nicht, dass deine Geburtstagsparty in drei Jahren draußen im Garten stattfinden wird.


Bei Theorien, die komplexe Bereiche abbilden sollen, hat man immer das Problem, dass sie im Einzelfall unscharf werden. In meiner ersten Soziologievorlesung, in der die einzelnen Theorien vorgestellt wurden, fing irgendwann eine Kommilitonin zu weinen an.
»Aber ich bin doch gar nicht so, wie Sie das die ganze Zeit erzählen.«
Sie hatte die Theorien, die einen komplexen Sachverhalt beschreiben, (nämlich das Verhalten unserer Gesellschaft) auf sich bezogen. Was für sie als Teil eines komplexen Gebildes eben nicht stimmt.
Wenn sie sich jedoch mit physikalischen Theorien befasst hätte, dann wäre das Ergebnis ein anderes gewesen. Man kann eben sehr gut ausrechnen, wie kaputt ein Auto sein wird, das mit einer bestimmten Geschwindigkeit in einem bestimmten Winkel auf eine Mauer fährt. Das sind, wenn man noch die Bremsen und die Bauweise des Autos dazunimmt, unter Umständen komplizierte Berechnungen. Aber sie haben nur eine endliche Anzahl von Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Und das lässt sich gut handhaben. Sicherheitshalber werden trotzdem Dummy-Tests gemacht.

Was heißt das also für das Wappentier?

Für komplizierte Sachverhalte kann man einen Plan machen, mit dessen Hilfe man das Problem Schritt für Schritt löst.

In vielen Bereichen habe ich mittlerweile das Knäuel entwirrt. Ich bin seit dreißig Jahren ehrenamtlich tätig und habe neben einem Verwaltungsstudium auch ein Diplom in Soziologie und interkultureller Kommunikation. Ich war in der IT tätig und habe lange Sportstunden geleitet.
Ich finde es wichtig, sich den Problemen da draußen zu stellen und sich zu engagieren.
Am einfachsten geht das meiner Erfahrung nach, wenn man sich einen ganz kleinen Ausschnitt eines Problems vornimmt und diesen beleuchtet. Dann ist man schon mal einen Schritt weiter und oft zieht das einen Rattenschwanz von anderen Erkenntnissen mit sich.

Gleichzeitig hilft das natürlich auch, mit der Komplexität da draußen umzugehen. Hier kommt die Intuition ins Spiel. Was nicht gleichbedeutend mit dem bloßen Bauchgefühl ist.

Intuition die Art zu denken, bei der du vom konkreten Detail abgelöst mit deinem ganzen Wissen und Erfahrung eine Sache beurteilst. Das passiert nicht mehr auf einer greifbaren, bewussten Ebene, sondern läuft eher über Gefühle.

Auch diese Intuition kannst du trainieren. Je öfter man eine Sache gemacht hat und je mehr Informationen man dazu angesammelt hat, desto besser wird die Entscheidung sein.
Auch wenn wir gar nicht begreifen, was wir hier gerade tun, es ist doch stimmig.

Eine gute Erklärung findest du in diesem Artikel der kleinen Zeitung.

Denn manche Dinge können wir nicht komplett verstehen. Aber oft müssen wir es auch nicht.
Wenn wir erkennen, wo wir Licht ins Unwissen bringen können und welche Informationen wir wirklich brauchen, um ein sinnvolles Leben zu führen, dann macht uns die Komplexität keine Angst mehr.
Dann können wir staunend in den Sternenhimmel schauen, ohne uns Gedanken darüber machen zu müssen, was genau es bedeutet, dass das All unendlich ist.

Schreib mir gerne in den Kommentaren, welche Themen für dich kompliziert sind und was komplex. Und wo du vielleicht gerne eine Reiseleitung durch den Wissensdschungel hättest.

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