Jedes Jahr gibt es wieder den Equal Pay day, der daran erinnern soll, dass Frauen im Schnitt weniger gezahlt bekommen als Männer. Die Gründe hierfür sind vielfältig und ich möchte das auch gar nicht vertiefen. Denn viele Menschen, nicht nur Frauen, bekommen nicht das, was sie verdienen.
Ich denke, wir sind uns einig, dass die Bezahlung in irgendeiner Weise mit der Leistung zu tun haben soll.
Kriterien könnten also sein:
- Mehr Verantwortung. Wenn ein Fehler Menschenleben kosten kann, dann muss sich das in der Vergütung widerspiegeln, denn nicht jeder kann oder will diese Anspannung tragen.
- Höheres Wissen oder mehr Fähigkeiten: Die Spitzengeigerin oder der Herzchirurg, die viel Zeit ihres Lebens in Ausbildung und Übung gesteckt haben, müssen auch dafür entschädigt werden.
- Hier gibt es aber bereits zwei Probleme: Unsere Gesellschaft honoriert nicht jede Qualifikation. Gerade Menschen aus anderen Bildungssystemen haben oft Schwierigkeiten, ihre Abschlüsse anerkannt zu bekommen. Oder jemand ist Autodidakt, hat aber die entsprechenden Zertifikate nicht.
- Umgekehrt gibt es viele Kinder, die gleich am Anfang in unserem Schulsystem aussortiert werden und daher nie die Möglichkeit erhalten, eine ihren eigentlichen Fähigkeiten entsprechende (Aus-) Bildung zu erhalten. Deshalb haben wir eine ordentliche Zahl von Personen, die nur Hilfstätigkeiten erledigen können, während wir händeringend nach Fachkräften suchen.
- Körperlich oder psychisch fordernde Tätigkeiten: Das ist ein Punkt, den wir theoretisch als belohnenswert sehen, praktisch aber überhaupt nicht honorieren.
- Gerade Tätigkeiten wie die Beschwerde-Hotline oder im Verkauf, also Beschäftigungen, bei denen die Person ständig freundlich sein und ihre eigentlichen Gefühle unter Verschluss halten muss, werden eher schlecht bezahlt. Diese Menschen sind enorm von psychischen, aber auch körperlichen Krankheiten bedroht, was sich jedoch nicht in einer entsprechenden finanziellen Kompensation niederschlägt.
- Auch die harten Arbeiten wie Erntehelfer oder Paketdienst stehen am unteren Ende der Skala. Bei all diesen Berufen regelt das Angebot den Preis. Weil es viele Menschen gibt, die in ihrer Verzweiflung jeden Job annehmen müssen, können die Firmen Lohndumping betreiben.
- Doch oft sind es gar nicht die Arbeitgeber selbst, die die treibende Kraft sind, sondern die Gesellschaft, die sich daran gewöhnt hat, dass diese Leistungen billig sind. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmer oft keine Ahnung von ihren Rechten haben und überhaupt nicht organisiert sind. Gewerkschaften sind immer noch der beste Garant für eine faire Bezahlung.
- Engagement und Leistung: Wer sich mehr anstrengt, sollte mehr bezahlt bekommen. Wie man genau messen kann, ob sich jemand anstrengt, ist ein anderes Thema. Gerade für behinderte Menschen heißt das meistens, dass sie aus diesem Grund schlechter verdienen. Natürlich bringt jemand dann weniger Mehrwert.
- Die Frage ist nur, wollen wir den Wert eines Menschen sehen oder seinen Preis? Möchten wir die Leistung eines Behinderten, die unter Umständen deutlich höher als die eines regulären Arbeitnehmers ist, geringer schätzen oder wären nicht Modelle denkbar, die auch das abbilden können?
- Die Arbeit ist nachgefragt. Wir leben in einer Marktwirtschaft und das spiegelt sich auch in der Bezahlung. Wie oben schon angeführt, kann ein hohes Angebot an Arbeitskräften den Preis senken. Umgekehrt kann aber der Preis auch steigen, wenn eine hohe Nachfrage da ist. Man denke an Stadienfüllende Sängerinnen oder Youtuber mit Millionen von Followern. Ich finde es fast schon witzig, dass wir in einem Zeitalter, in dem Individualismus über allem steht, trotzdem der Meute hinterherlaufen und das toll finden, was Tausenden von anderen auch gefällt, während sich unbekannte Künstler schwer tun, überhaupt einen Fuß auf den Boden zu kommen.
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Das sind die Kriterien, die meines Erachtens bei der Bezahlung eine Rolle spielen sollten. Doch tatsächlich spielen oft ganz andere Faktoren bei der Bezahlung eine Rolle:
- Die Person ist privilegiert. Ein weißer deutscher Mann bekommt immer mehr als eine schwarze Frau mit ausländischem Namen. Egal welche Kriterien noch im Raum stehen, alleine bei der Jobsuche ist die Frau dermaßen benachteiligt, dass sie viele gut bezahlte Tätigkeiten gar nicht ausüben kann.
- Die Person hat Beziehungen. Wenn man die Biographien der meisten „Self-made Millionäre“ genauer ansieht, dann haben diese eine familiären Hintergrund, der anderen eben fehlt. Sei es die Möglichkeit, eine entsprechende Ausbildung machen zu können. Nicht jeder kann sich ein Studium leisten oder hat Eltern, die ihm durch Nachhilfe und Unterstützung den Weg zum Abitur ermöglichen. Um in die Chefetagen einziehen zu können, braucht man Mentoren und den richtigen Stallgeruch. Banken geben eher Kredite für das Start-up, wenn die Eltern mit ihrem Reihenhaus bürgen können. Wenn die Mutter beim Fernsehen arbeitet, bekommt der Sohn vielleicht den Praktikumsplatz, der der Startpunkt für die Karriere als Top-Moderator ist.
- Rücksichtslosigkeit und Kaltschnäuzigkeit. Um ganz oben mitspielen zu können, braucht es auch gewisse Persönlichkeitsmerkmale. Der Druck und die Konkurrenz ist hart und nicht jeder kann und will sich so durchsetzen. Sobald man darüber nachdenkt, was das eigene Verhalten bei den anderen anrichtet, ist man gegenüber denen, denen das egal ist, im Hintertreffen. Es werden nicht immer die Besten Konzernchef, sondern oft die egoistischsten. Ich finde, man kann das an den absurden Boni erkennen, die manche Manager selbst dann noch einstreichen, wenn sie die Firma in den Sand gesetzt haben und Tausende in die Arbeitslosigkeit geschickt haben.
- Macht. Wer wem wieviel bezahlt, hängt auch von Macht ab. Wenn meiner Familie mehrere Firmen gehören, dann kann sie ihre Machtposition nutzen, um mir ein gutes Einkommen zu verschaffen. Da sitzen die einen im Aufsichtsrat des anderen und schon gibt es hübsche Boni für alle Manager. Aber auch global wird Einfluss auf die Bezahlung genommen. Da werden Mitarbeiter überzeugt, auf Teile ihres Gehaltes zu verzichten, um die Insolvenz abzuwenden (Karstadt lässt grüßen). Oder es wird damit gedroht, die Firma in ein Billiglohnland zu verlegen, wenn die Löhne angehoben werden müssen. Für mich ist ein Markt nur dann frei, wenn beide Vertragsseiten die gleichen Chancen haben. Wenn mir nur die Auswahl zwischen Arbeitslosigkeit (=gar kein Lohn) und einem niedrigen Lohn bleibt, dann ist meine Verhandlungsposition deutlich schwächer als die der Gegenseite, die ja keine Existenzängste zu bewältigen hat.
Wir haben uns lange von diesem „jeder ist seines Glückes Schmied“ und „der Markt wird es schon richten“ blenden lassen. Nicht nur, dass wir keinen Equal Pay fertig bringen, wir schaffen es überhaupt nicht, allen Menschen ein würdiges Gehalt zu bezahlen. Wer z. B. Mindestlohn in München bekommt, der schafft es kaum, eine Wohnung für sich selbst zu bezahlen, geschweige denn, eine Familie zu unterhalten. Und es gibt etliche Ausbildungsberufe, in denen auch nicht mehr bezahlt wird.
Statt also darüber nachzudenken, ob das Bürgergeld zu hoch ist und die Menschen deshalb nicht mehr arbeiten wollen, sollten wir uns Gedanken machen, warum Arbeit so schlecht entlohnt wird, dass sie nicht einmal das Mindestmaß erreicht, dass wir als menschenwürdig erachten.
Wir könnten stattdessen eine fairen Markt schaffen, in dem die Macht gleichmäßig verteilt ist.
Es gibt keine Geheimgesellschaft, die die Kleinen ausbeutet. Es ist ein System, das dieses Verhalten belohnt. Und wir sind diejenigen, die dieses System auch verändern können. Gemeinsam.
Fühlst du dich angemessen bezahlt?
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