Du möchtest am nächsten Elternabend endlich Fragen stellen, traust dich aber nicht? Man hat dich gefragt, ob du einen Vortrag für die Auszubildenden halten kannst? Eine Buchlesung steht an?
Egal, in welchem Umfeld: Vor anderen zu sprechen, gerade wenn man sie nicht kennt, macht Angst.
Ich habe das Problem lange dadurch gelöst, dass ich solche Situationen vermieden habe.
Viele Hobbys habe ich nicht weiterverfolgt, weil sie mit Auftritten oder Wettbewerben verbunden waren. Nie bin ich ohne Not irgendwo aufgetreten und Referate waren der Graus.
Doch irgendwann habe ich beschlossen, dass das doch lösbar sein muss.
Lampenfieber ist wichtig
Wobei ich eines gleich klarstellen möchte: Lampenfieber in einem gewissen Ausmaß ist wichtig.
Wenn du dort vorne stehst, soll dein Körper eine gute Anspannung haben. Dadurch bist du konzentriert und präsent.
Stell dir jemanden vor, dem das Ganze völlig egal ist. Sie wird ihren Vortrag runterrattern und keiner wird richtig zuhören.
Auch Künstler betonen immer wieder, dass sie aufhören würden, wenn sie keinerlei Lampenfieber mehr haben. Denn nur so bringen sie ihre beste Leistung.
Doch wie kommen wir von absoluter Panik zu einer guten Aufregung?
Wie bei allen Ängsten gilt auch hier: Die Angst soll dir helfen, die richtige Entscheidung zu treffen, nicht dich an einer wichtigen Sache zu hindern.
Aber was tun, wenn man schon beim Gedanken daran Schweißausbrüche bekommt und auf der Bühne kein Wort über die Lippen geht?
Wie ich die Angst in den Griff bekommen habe
Ich habe gelernt, dass ich dem Thema auf die Dauer nicht auskomme, egal wie sehr ich es versuche.
Als ich mir bei jeder Aerobic-Stunde gedacht habe, das, was die da vorne aufführen, könnte ich auch, habe ich mich für einen Übungsleiterlehrgang angemeldet.
Ich bin erst einmal krachend gescheitert.
Mein Lampenfieber war so schrecklich, dass ich da einfach nicht weitergekommen bin.
Aber eine Bekannte hat mich dann sanft gezwungen, mit ihr zu unterrichten, weil sie mein Potential gesehen hat.
Zunächst habe ich nur einzelne Übungen angeleitet, dann hat sie mich ihre Stunden vertreten lassen. Die Atmosphäre in diesem Verein war unterstützend, und ehe ich es gemerkt habe, hatte ich meine eigene Stunde.
Und hier war es dann vorbei mit Ausreden. Ich musste meine Angst jede Woche überwinden, weil meine Seniorengruppe sehnsüchtig auf ihre Sportstunde wartete. Sie zu enttäuschen habe ich nicht mehr übers Herz gebracht.
Mittlerweile bin ich in der Lokalpolitik und habe auch schon Vorstellungsreden im Bierzelt gehalten. War schrecklich aufregend, aber inzwischen mag ich den Nervenkitzel .
Hier also meine Tipps, damit du das auch schaffst.
Üben, üben und nochmals üben
Üben, üben und nochmals üben. Nimm jede Gelegenheit wahr, vor anderen zu sprechen. Stelle Fragen in einer größeren Runde. Biete an, die Kinder beim Auftritt im Kindergarten anzumoderieren. Frage wildfremde Menschen nach dem Weg.
Suche aktiv nach Gelegenheiten für einen kleine Auftritt. Am besten ist etwas Kontinuierliches und Verpflichtendes, so wie meine Sportstunde. Etwas, wo du nicht jedes Mal wieder zusagen musst, sondern einfach machen kannst.
Die Münchner Schreiberlinge organisieren z.B. Lesungen für ihre Mitglieder. Da wird dir alles drum rum abgenommen und du hast auf jeden Fall unterstützende Menschen im Publikum.
Vorbereitung ist alles
Sei vorbereitet. Ich kann mittlerweile Stegreifreden halten. Aber sobald das Ganze einen größeren Rahmen hat, gehe ich vorher alles noch einmal durch. Außerdem ist es gut, wenn man auch Fragen beantworten könnte, die nur am Rande mit deinem Vortrag zu tun haben.
Wenn du sehen willst, wie ich solche Fragen bei einer Lesung beantworte, dann schau doch einmal hier vorbei.
Murphys Law beachten
Alles ausschließen, was Probleme machen kann. Denn was schief gehen kann, geht auch irgendwann schief.
Egal ob auf dem Weg oder am Vortragsort. Passt die Technik? Haben die anderen Beteiligten alles erledigt und vorbereitet?
Sei so rechtzeitig da, dass du auch noch Unvorhergesehenes abfedern kannst. Trouble-Shouting vor dem Publikum ist eine Aufregung, die kein Mensch brauchen kann.
Gib nicht auf
Wenn es schief gegangen ist, unbedingt damit befassen und das nicht auf die Seite schieben.
Du darfst das nicht so in Erinnerung behalten.
Alles, was dir im Anschluss hilft, mit dem Scheitern klar zu kommen, ist wichtig. Was genau ging schief? Ging es wirklich schief? War es überhaupt deine Schuld?
Mach dir klar, dass du noch am Lernen bist.
Wir sind eine sehr Fehler intolerante Gesellschaft. Aber du erwartest ja auch nicht, dass ein Kind sofort schwimmen kann, wenn es ins Wasser geworfen wird.
Und genauso darfst du (Anfänger-)Fehler machen.
Deshalb: Übe im kleinen Kreis. Halte einen Vortrag vor dem Spiegel. Dann vor der Kamera. Dann vor deinem Lieblingsmensch. Und zwar jeden Tag wenigstens ein paar Sätze. Irgendwann gewöhnst du dich daran und wirst immer besser.
Ich habe wochenlang jeden Tag ein paar Übungen vor der Kamera gemacht. Weil es eine ungewohnte Tätigkeit ist und man sich ja normalerweise nicht auf dem Bildschirm sieht, kommt man sich dämlich vor. Aber mit der Zeit sieht es vertraut aus.
Du musst da nicht alleine durch
Such dir Verbündete. Jemanden im Publikum, auf den du dich fokussierst. Natürlich ist es besser, wenn du deinen Blick immer mal wieder schweifen lässt. Aber ein regelmäßiges, wohlwollendes Nicken wirkt Wunder.
Du schaffst das
Du wirst dich an das Sprechen (oder was du sonst auf der Bühne tust) gewöhnen. Aber gerade, wenn du introvertiert bist, dann musst du dranbleiben.
Stell dir das wie einen Muskel vor. Sobald du mit dem Training aufhörst, ist die Muskelkraft auch wieder weg. Und so, wie du nicht mit der schwersten Gewichtsscheibe anfängst, solltest du auch nicht gleich mit dem Auftritt im Stadion beginnen.
Ich hoffe, du bist jetzt bereit, dich der nächsten Herausforderung zu stellen.
Wenn du aber merkst, dass es mit ein paar Tipps nicht getan ist, dann suche dir bitte professionelle Hilfe.
Mache eine passende Therapie. Ich habe das erst mit 50 Jahren begriffen und ich bedauere nichts mehr, als dass ich mich und meine Kinder mit meinen ungelösten Problemen belastet habe und so viele Möglichkeiten im Leben nicht ergriffen habe.
Auf welche Bühne zieht es dich und wie könnten deine ersten Schritte aussehen?
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