Warum du deinen Star nicht verteidigen musst

Der sinnlose Krieg in den Kommentarspalten

Lady Diana verunglückt! War es der Palast?

Das erste Mal, als das Leben (oder eher der Tod) einer Prominenten meine kleine Welt durcheinander gebracht hat, war beim Autounfall Lady Dianas.

In allen Zeitungen sah man die Schlagzeilen und im Fernsehen sprachen aufgeregte Moderatoren über den tragischen Tod. Manche Menschen in meiner Umgebung haben um sie getrauert, als wäre sie ein nahes Familienmitglied.

Es gab hitzige Diskussionen, wer nun an ihrem Tod schuld sei, die Paparazzi, der Fahrer, sie selbst? Oder steckte etwa der Palast dahinter? Es fühlte sich sehr nah und wichtig an. Der Tod der Schwiegertochter der Monarchin eines fremden Landes.

Promis gestern und heute

Ist das mittlerweile anders?

Lag es daran, dass es noch nicht so viele Möglichkeiten gab, sich über die Bekannten und Verwandten auf dem Laufenden zu halten und man deshalb mehr Zeit für den Promiklatsch hatte?

Ich glaube nicht. Im Gegenteil.

Heute wollen wir keine Information über den neusten Streit zwischen unserer Lieblingssängerin und ihrer Konkurrentin verpassen.

(Alicia hat das Problem in ihrem Video sehr schön dargestellt)

Wie kann diese schreckliche Person nur unseren Liebling so behandeln? Wütend kommentieren wir gegen all dieses Böse an. Es ist ja so ungerecht.

Mich hat das immer ein bisschen an den Klatsch erinnert, den ich als Kind mitbekam, wenn ich mit meiner Oma auf dem Dorf unterwegs war.

„Die Leut` ausrichten“ nannte das meine Großmutter. Und sie war kein Fan davon.
Dennoch ist Klatsch wichtig. Weil er das soziale Miteinander fördert.

Für die Frauen im Dorf war er das Äquivalent der Sportnachrichten, über die die Männer ebenso heiß debattierten. Und hier wie dort war es notwendig, dass man auf dem Laufenden blieb.

Und wenn alle Gerüchte über die Dorfbevölkerung erzählt waren, kamen die Promis dran. Welche Prinzessin welchen Prinzen bekommt oder eben, wie tragisch Dianas Tod ist.

Fünfzig Jahre später findet das nicht mehr beim Bäcker statt, sondern online in den Kommentarspalten. Und jetzt passiert etwas Ungutes: Die gleichen Bedürfnisse, die die Nachbarinnen meiner Oma zusammenstehen ließen, treiben uns auf die Promiseiten.

Doch im Dorf war das Gespräch nach einer Weile beendet, dank der perfiden Mechanismen der sozialen Medien können wir hier aber nicht so leicht aussteigen. Was als kurze Pause zur Unterhaltung angefangen hat, steigert sich immer weiter und irgendwann sind wir gefangen in einer Welt, die gar nicht die unsere ist.

Film oder Realität? Was sehen wir in den sozialen Medien?

Ein bisschen ist da vergleichbar mit einem Film oder einer Serie. Wir leiden mit, wir hassen manche Figuren, und manchmal kommen wir uns vor, als wären wir Teil des Ganzen.

Aber im Gegensatz zu den Dramen der realen Promis ist das eine Geschichte mit einem Plot. Es gibt eine klare Entwicklung und zwangsläufig ein Ende.

Dadurch kann unser inneres System wieder herunterfahren und wir kommen im Idealfall gut gelaunt in der Wirklichkeit an.

Als Autorin erkenne ich viele ( Schreib-) Techniken in den Posts auf social Media. Und diese Techniken funktionieren überall. Darum gibt es z.B. scripted reality auf RTL2 und keine echten Einblicke in das Leben anderer Menschen.
Deshalb droht wie beim Bingewatching auch bei den sozialen Medien die Endlosschleife. Irgendwann ist der Tag vorbei und wir haben nichts Sinnvolles gemacht.

In der Wirtschaft würde man das eine Fehlallokation von Ressourcen nennen. Du hast Zeit und Energie, Liebe und andere Gefühle in eine Aktion gesteckt, die mit deinem eigenen Leben überhaupt nichts zu tun hat. Dein Kopf ist voll mit Problemen, die dich nicht betreffen. Und die Welt erscheint noch ein Stückchen komplizierter und schlechter.

Aber die kenne ich doch!

Aber es ist doch mein Liebling! Die kenne ich! Das hat etwas mit mir zu tun!

Bist du dir da sicher?

Nur weil wir ständig Einsichten in das Leben eines Stars bekommen, und Dinge erfahren, die uns unsere beste Freundin nicht erzählen würde, heißt das nicht, das wir die Person kennen. Wir haben keinen Einblick in die Hintergründe und sehen nur, was auch gepostet wird.

Damit entsteht in unserem Kopf eine Welt, in der gut und böse klar verteilt sind. Was uns die Rechtfertigung gibt, den bösen Feind unseres Lieblingsstars und seine Verbündeten mit Härte zu bekämpfen.

Und so wird Hass in die Kommentarspalte geschüttet, die Beiträge schaukeln sich wechselseitig hoch.

Abgesehen davon, dass das für die Betroffenen (ja, das sind Menschen mit Gefühlen) die Hölle sein kann:

Es hinterlässt auch bei den Kommentierenden und Lesenden eine Schneise der Verwüstung. Die Hasskommentare der Gegenseite werden persönlich genommen und unser körperliches und psychisches System befindet sich im Krieg.

Muss das sein?

Und selbst wenn du dir eine gute Distanz zu dem Ganzen halten kannst:

Muss das sein?

Ist deine Zeit und Energie nicht besser in Menschen investiert, die dir wirklich nahestehen und die dich wahrnehmen als die Person, die du in der Realität bist?


Vielleicht versuchst du auch, durch den Fokus auf Promis und Mode vor den Katastrophen in der Politik und Umwelt zu fliehen. Ich habe das lange versucht, aber festgestellt, das funktioniert nicht.

Was du stattdessen tun kannst und wie du trotzdem noch auf dem Laufenden bleibst, habe ich in meinem Guide „Informiert sein, ohne zu verzweifeln“ zusammengestellt.

Informieren, ohne zu verzweiflen
Guide: Informieren, ohne zu verzweifeln

Du musst also nicht gleich dein Handy wegwerfen, sondern nur hier deine Email-Adresse hinterlassen und er flattert umgehend in dein Postfach.

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