Zwischen Phantasie und Wahrheit: Recherche beim Romanschreiben

Im Zeitalter von ChatGPT geht Recherche doch ganz schnell. Nur mal einen kurzen Prompt eintippen, und alles ist geklärt.
Das würde uns Schreibenden eine Menge Zeit sparen, aber so ist es nun mal nicht. Recherche hat viele Aspekte, die ich hier jetzt einmal sortieren möchte.

Ist das logisch?

Eine Frage, die man sich auch beim ausgefallensten Fantasyroman immer stellen muss. Denn auch da muss eine Handlung in dem gegebenen Setting logisch sein.

Das fängt mit banalem Dingen wie dem Zeitablauf an. Wenn die Protagonisten zu Fuß unterwegs sind, dann haben sie eine gegebene Geschwindigkeit und können eben nur eine bestimmte Strecke am Tag überwinden.

Das kann bei einer Fabelgestalt mehr sein als bei dir und mir. Aber wenn sie sich plötzlich portieren kann, dann muss das erklärt werden.

Also braucht es ein paar Nebenrechnungen, die für mich auch unter Recherche fallen.


Die Figuren verletzen sich, bekommen Kinder oder haben sonstige körperliche Vorfälle. Hier sollten Wunderheilungen etc. auf jeden Fall begründet werden. Und ob es sich um eine solche handelt, das ist eben zu recherchieren.

Manche Dinge haben sich so eingebürgert, wie die Chloroformbetäubung, die in Realität nie so funktionieren würde wie im Film.

Hier ist die Toleranz des Publikums sicher größer.

Aber bei jedem guten Krimi sollte man die Wirkung des Giftes vorher recherchieren.


Genauso bei täglichen Dingen. Kann das wirklich so funktionieren, wie ich das aufgeschrieben habe?

Wenn ich noch nie gebacken habe, dann ist Recherche essentiell. Der Kuchen ist eben nicht mal schnell in zehn Minuten fertig gerührt und aus dem Ofen.

Ist es wahr?

Die Frage lässt sich bei manchen Dingen nur annäherungsweise beantworten. Vieles in der Geschichte kann man nicht mehr belegen.

Aber die Fakten, die in der Wissenschaft bekannt sind, sollte man auch beachten.

Wenn man davon abweicht, dann ist eine kurze Anmerkung am Ende des Buches hilfreich.

Ich mag es auch, wenn dann nochmal die Daten des Ereignisses dargestellt werden, auf das sich der Roman bezieht.


Wichtig ist auch, bei einem historischen Roman im Setting zu bleiben. Wenn die Figuren Dinge benutzen, die es zu ihrer Zeit noch gar nicht gab oder in Kleidung herumlaufen, die 100 Jahre vorher oder nachher modern war, dann reißt es die Lesenden aus der Zeit.

Besonders schwierig ist das bei Filmen. Zum Thema historisch passende Kleidung empfehle ich den You-Tube-Kanal von Bernadette Banner.


Viele gute Fantasy und historisch Schreibende steigen tief in die Recherche ein. Sie verbringen einen Tag in einer Schmiede, lernen fechten oder tragen die Kleidung, die auch in ihren Büchern üblich ist.

Dadurch gewinnt das Buch an Lebendigkeit, Details können beschrieben werden und niemand muss sich über Fehler aufregen.

Ist es nötig?

Manchmal recherchiert man, obwohl man es nicht braucht.

Ich habe sehr lange für einen historischen Roman recherchiert, den ich dann mangels Interesse nie geschrieben habe.

Aber auch umgekehrt: Oft recherchiert man nicht, obwohl es nötig wäre. Was ich damit sagen will: Man hält sich oft für informierter, als man tatsächlich ist.

Vieles hat man schon so oft gehört, dass man es für wahr hält. Oder man weiß gar nicht, dass man einen Fehler macht, weil man von diesem Thema gar nichts weiß.
Im Idealfall fällt es den Testlesenden oder dem Lektorat auf. Und dann kommt die Recherche eben hinterher.
Mein Tipp hier: Sprich mit Menschen, die in deinem Thema drin sind. Lass diese zumindest über die relevanten Passagen lesen. Und im Zweifelsfall lieber einmal zu oft nachschlagen.

Ist es verletzend?

Wir leben in einer patriarchalen, kapitalistischen und zutiefst rassistischen Gesellschaft.

Und wenn du dir auch sagst „Ich bin aber nicht so“, hast du doch all diese Prägungen in dir.

Und so verwendet man beim Schreiben Bezeichnungen, die ausschließen, die verletzen oder schlicht beleidigend sind.

Wir stellen Gegebenheiten aus unserer Sicht dar. Selbst wenn es gut gemeint ist, ist es selten gut gemacht.

Das gilt auch im Umgang mit Behinderungen. Die Figur würde als echter Mensch die Situation möglicherweise komplett anders erleben und handhaben.

Für einen Einstieg in das Thema empfehle ich dir, Raul Krauthausen zu folgen.


Es ist wichtig und gut, einen diversen Cast zu haben. Aber wenn du nur deshalb einer Figur einen Migrationshintergrund gibst, damit dein Roman bunter wird, dann solltest du wenigstens darauf achten, dass du in ihr nicht die Stereotype wiederholst, die wir ja eigentlich überwinden wollen.

Hier gilt: Recherche ist Pflicht. Und zwar deine. Nicht die der betroffenen Gruppen. Und wenn du es richtig gut machen willst, leiste dir ein Sensitivity Reading.

Ich versuche, möglichst über Dinge zu schreiben, von denen ich wirklich viel verstehe und mit denen ich jahrelange Erfahrung habe.

Wenn du sehen willst, was ich aus meinen Erfahrungen im Ehrenamt und der Verwaltung gemacht habe, dann lies meinen Roman „Das Frühlingsfenster.“

Dann weiß ich zumindest, wo die Fallstricke liegen können und was ich auf jeden Fall noch klären muss. Außerdem verschwinde ich dann nicht über Wochen in einem Thema und es kommt dann doch kein Text dabei raus.

Mein Motto ist ja, mehr Output als Input zu haben, was mir dank meiner Neugier sowieso nie gelingen wird.
Ist das nicht langweilig, nur über Bekanntes zu schreiben? Für mich nicht. Es hilft mir, mich an viele Dinge und Learnings in meinem Leben zu erinnern. Und es hilft meinem Publikum, weil sie ja dann von eben diesem Erfahrungen profitieren können.

Wie viel Recherche findest du wichtig? Was erwartest du davon bei einem Buch?

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