Was deine Schreibblockade mit unserer Gesellschaft zu tun hat

Schreibblockade Perfektionismus und die Vorgaben der Gesellschaft


Mein Hirn produziert ununterbrochen Gedanken.

Viele auch so, dass sie einen hübschen Blogbeitrag oder eine nette Geschichte ergäben, wenn ich sie schreiben würde.

Wieso gibt es sie dann nicht?

Die klassische Ausrede „Ich habe keine Zeit“ lasse ich nicht gelten.

Ich bastle oft an anderen Dingen herum, lese noch einen Beitrag über Produktivität, fülle Arbeitsblätter zu meiner Positionierung aus. Nur geschrieben wird irgendwie nie.

An Mangelnde Ideen scheitert es ja auch nicht.

Wo liegt das Problem?

Bin ich zu erschöpft? Ja, natürlich. Ich kann nicht immer sinnvolles Zeug schreiben. Aber den Kram, der durch mein Hirn spukt, einfach runtertippen, das kann ich meistens schon.

Weshalb entsteht dann nichts?

Habe ich eine Schreibblockade? Und wenn ja, warum?

Richte ich den Blick von meiner eigenen Situation weg in die Gesellschaft, dann scheint das Problem mehr zu sein als eine private Belästigung.

Ich möchte dir hier zeigen, warum das ein politisches Thema sein kann. Etwas, was unsere Gesellschaft nachhaltig prägt.


Also – warum entstehen manche Texte nicht?

Perfektion

Einmal aus dem klassischen Perfektionismus heraus:

Das ist nicht tiefgründig genug.

Ich muss mindestens zehn Zitate aus schlauen Büchern unterbringen, sonst meint das Publikum, ich habe keine Ahnung.

Der Gedanke ist zu klein, um einen echt langen Artikel daraus zu stricken.

Meine Blogbeiträge müssen alle ein bestimmtes Aussehen haben, der Instapost passt nicht in meinen vorgefertigten Feed.
Das Problem dabei: Schreiben lernt man, wie alle anderen Sachen auch, dadurch, dass man es macht.

Wer viel schreibt, ist automatisch irgendwann besser als jemand, der jahrelang an einer Seite feilt.
Das kann jeder bestätigen, der sich einmal seine alten Texte ansieht.

Selbst wenn man da etliche Runden an Überarbeitung reingesteckt hat und tausend Ratgeber gelesen hat: Der nächste Text ist trotzdem besser.

Glatter, mit spannenderen Formulierungen und ohne den ganzen Ballast, den man sich so mühsam abtrainieren muss.

Vieles geht beim Lernen und Üben verloren. Man entwickelt feste Formate und Routinen, die zwar gut funktionieren, aber einiges ausblenden.

Im Zen-Buddhismus wird extra versucht, in diesem Anfängergeist zu bleiben. Offen zu sein für alles, was kommt.

Beides hat also seine Berechtigung: Die Übung und das Ausprobieren.

Sich das klar zu machen, hilft manchmal dabei, endlich ins Schreiben zu kommen.
Die Idee des Lean Start-ups geht sogar noch weiter. Da wird ein Prototyp in die Öffentlichkeit gebracht (das sogenannte Minimum viable Product), also etwas, das weit weg von Perfektion ist.
Der Gedanke dahinter: Warum Energie in ein Produkt stecken, das vielleicht gar keinen Markt hat.


Gerade wenn du am Anfang deiner Schreibreise stehst, ist das eine hilfreiche Vorgehensweise. Nur so erfährst du, was die Leute lesen wollen.
Aber es kostet natürlich Mut, mit etwas gewollt Imperfekten in die Sichtbarkeit zu gehen.

Impostersyndrom

Das Impostersyndrom oder Hochstaplersyndrom geht in die gleiche Richtung:
Du hast das Gefühl, dass du hier nichts zu suchen hast, weil du nicht gut genug bist.
Das geht uns gelegentlich allen so, und ist hier in Deutschland weiter verbreitet als in anderen Ländern.


Kennst du den Begriff »Meisterstück«?

Das, was ein Handwerksmeister am Ende seines Meisterkurses erstellt und mit dem er dann seinen Meisterbrief erwirbt.
Und genau dieses Meisterstück haben wir alle im Hinterkopf, wenn wir mit unseren Texten in die Welt gehen.

Daher kommt auch diese Manie, ständig noch einen Kurs zu belegen.
Sicher kennst du das: Das Gefühl, nicht gut genug zu sein, keine Expertise zu haben, weil du ja kein Zertifikat in dieser Sache hast. Oder zu wenig Erfahrung.
Doch auch ein Diplom ist keine Garantie für Perfektion.

Weil du immer noch was findest, was besser ginge. Und so kommt der Text nie ans Tageslicht.
Diesen Teil nenne ich das eingebildete Hochstaplersyndrom.

Man hält die anderen für viel gebildeter und erfahrener und empfindet sich als dreist, wenn man hier mitmischt. Aber hakst du einmal nach, dann wirst du feststellen, dass du ganz anders wahrgenommen wirst.


Ich erlebe das regelmäßig.
Ich habe ein paar Artikel auf Linkedin gelesen und halte mich jetzt für völlig fehl am Platz. Das sind alles Profis, was will ich da schon?
Die sind von der Uni runter und perfekt. Ich habe zwei Hochschul-Diplome, 30 Jahre Erfahrung, aber das gilt nicht.
Da ich oft neue Dinge beginne, (ich bin eine Scannerperson) passiert mir das relativ häufig.
Und es kostet mich Energie und Mut, darüber hinwegzugehen.
Aber das ist machbar.
Schwieriger als das „echte Hochstaplersyndrom“ .

Leichte Sprache vs. Wissenschaftsdiskurs

Viele Menschen sind nicht in der Lage, einen Artikel in einer seriösen Zeitung zu lesen. Ihnen fehlt der Wortschatz, sie sind allgemein nicht sicher genug in der Sprache und haben kein Hintergrundwissen.
Also äußern sie sich nicht zu diesem Thema.
Das halte ich für sehr problematisch.

Weil dann über diese Menschen gesprochen wird. Und nicht mit ihnen. Weil wir ihre Stimme nicht hören.


Vielleicht wäre diese Person genau die Expertin für das Thema? Weil sie mitten drin steckt. Weil sie 20 Jahre Erfahrung hat.
Deswegen frage dich auch bei Themen, bei denen du keinen Meisterbrief hast, ob du nicht etwas aus deiner Perspektive beitragen kannst.


Schreib so, wie du es hinbekommst. Solange es wahr ist, du niemanden beleidigst oder verletzt, ist es legitim, sich Gehör zu verschaffen.
Und so oft ist es auch nötig. Weil sonst die anderen zu laut werden.

Suchmaschinenoptimierung und andere Tricks

Jetzt hast du dich also überwunden und einen Text geschrieben. Aber keiner bekommt ihn mit.
Das ist leider oft so. Um in unserer lauten (sozialen) Medienwelt Gehör zu bekommen, muss man auch die Technik im Griff haben.
Du brauchst Follower, musst auf Google gefunden werden und möglichst noch Werbung schalten.
Das ein Bereich, der auch mich immer wieder ausbremst. Das Gefühl, eigentlich an meinem Marketing arbeiten zu müssen statt an meinen Texten.
Und ja, es ist notwendig. Weil ich keine Werbekampagne gefahren habe, verkauft sich mein Roman nicht.
Wenn du ihn lesen willst: Hier entlang.
Ich habe einen Artikel geschrieben und bin einen Moment lang glücklich.
Doch dann braucht das Ding irgendein Bild. Eine Grafik. Am besten noch 20 Pinterest-Pins.
Sobald ich mich damit beschäftige, hat mein innerer Kritiker seinen großen Auftritt. Ich bin nicht gut in grafischen Dingen, und ich habe keine Ahnung, was davon funktioniert und was nicht.
Also sagt mir diese nervige Stimme, dass ich es eigentlich gleich lassen kann.

Mir fällt dann ein, dass meine Homepage noch nicht perfekt ist, die Besucher sofort wieder abspringen.

Dass mich meine Herzensleserin nicht finden kann, weil ich nicht für die Google-Suche optimiert habe. Und müssen da nicht noch ganz viele Links rein?
Und dann ist die Energie weg.
Aber bei Tageslicht betrachtet: Welchen Beitrag findet ganz bestimmt niemand? Den, der nie geschrieben wurde.
Also raus damit.
Einfach schreiben. Dynamisch plotten, wie es Judith Sympatexter Peters nennt.

Schreiben gegen die Wirklichkeitsverzehrung

Natürlich haben die großen Trollfarmen mehr Geld und Ressourcen als wir.

Und die Jahrhunderte alten Erzählungen, wer etwas zu melden hat und wer nicht, verschwinden auch nicht durch ein paar Beiträge oder Kommentare.
Aber ich glaube fest daran, dass wir gemeinsam dagegen ankommen.

Indem alle ihre Stimme erheben, die etwas beitragen können.
Die Welt ist kompliziert und wir alle sehen unterschiedliche Ausschnitte daraus und erleben sie anders.
Doch es ist wichtig, diese Erfahrungen zu teilen.

Die marginalisieren Gruppen, seien es Behinderte, von Armut Betroffene oder Menschen aus einer anderen Kultur, müssen in diesem Chor mit dabei sein.
Nur so entsteht das komplette Bild.
Und nur so können wir entscheiden, wie wir in unsere Gesellschaft gestalten wollen.

Lass deine Stimme hören

Ich hoffe, ich habe dir jetzt Mut gemacht, deine Sicht der Dinge in die Welt zu tragen. Vielleicht kannst du auch andere dazu ermutigen und unterstützen, die es alleine nicht schaffen. Denn jede Sichtweise ist wertvoll.


Und falls du mit der Flut aus schlechten Nachrichten kämpfst, lies meinen Ratgeber
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