Thron oder Parlament: Kann Fantasy-Literatur demokratische Werte stärken?

Thron oder Parlament: Kann Fantasy-Literatur demokratische Werte stärken

Warum gibt es so wenig Demokratien in Fantasyromanen?

Warum siegt am Ende der gute König (manchmal auch die Königin)?

Und warum ist das eine gefährliche Sache?

Fragen, denen ich in diesem Artikel auf den Grund gehen möchte.

Ich selbst schreibe politische Fantasy.

Das bedeutet, ich möchte kein Weltbild verfestigen, dass sich gegen Gleichheit und Gewaltenteilung wendet, in dem Diskriminierung an der Tagesordnung ist und in dem am Ende die Stärksten über die Schwachen herrschen.

Doch warum gibt es so wenig davon? Warum siegt in der epischen Schlacht Gut gegen Böse zwar das Gute, aber das System, dass das Böse zu allererst hervorgebracht hat, besteht weiter?

Warum wir uns Macht nur monarchisch vorstellen können

Unserer Geschichten sind alt. Jeder neue Roman, jeder aktuelle Film schließt an eine lange Reihe von Mythen und Märchen an. Und in all diesen ist die Monarchie die gängige Regierungsform. Und selbst wenn z.B. die Stadtspitze gewählt wurde, so waren doch immer nur die Elite der Gesellschaft stimmberechtigt.


Doch auch unser Umfeld, unsere Kunst und Kultur kommt aus einem zumindest aristokratischen Umfeld. Wir bewundern die Schlösser, schauen Opern in der Staatsoper, die von einem König gebaut wurde. Unsere zentralen Boulevards sind nach Königen benannt. In München ist das z.B. die Maximiliansstraße mit ihren Edelboutiquen oder die Ludwigsstraße, die dann in die Leopoldstraße mit ihren Cafés übergeht. Das bayerische Parlament tagt im Maximilianeum.
Wir benehmen uns höflich, so wie man es eben bei Hofe erfunden hat. Edel und Aristokratie sind im Grunde Synonyme. Gewöhnlich, ordinär oder gemein sind Schimpfworte und sollen doch nur ausdrücken, dass hier jemand nicht herausgehoben geboren wurde.
In Deutschland wurde die Monarchie erst vor etwas mehr als 100 Jahren abgeschafft. Das ist eine relativ kurze Zeit, zumal wir davon noch einmal 12 bzw. 40 Jahre nicht in Demokratien gelebt haben.
Unser kulturelles Grundrauschen ist also monarchisch, nicht demokratisch.

Weil es einfach ist

Jede Geschichte hat im Normalfall einen Protagonisten oder eine Heldin. Hinzu kommen eine Reihe von obligatorischen Nebenfiguren. Und dann gibt es die antagonistische Kraft, die idealerweise durch einen mächtigen Schurken repräsentiert wird.
Das Aushandeln von Problemen mit einer größeren Gruppe, in der jedes Mitglied andere Bedürfnisse und Vorstellungen hat, ist für eine spannende Geschichte eher schwierig in den Griff zu bekommen. Mit wem sollen sich die Lesenden identifizieren? Wann haben wir ein (Happy-) End?
Politik kommt nie zu einem Ziel. Es wird im Idealfall die am wenigsten schlechte Lösung für die aktuelle Lage gefunden und durchgesetzt.
Und dann ändert sich etwas und es geht von vorne los.

Also eher nichts für einen Fantasy-Roman?
Ich finde schon. Ich bin seit 17 Jahren in der Kommunalpolitik und wenn man sich auf die Prämisse einlässt, dass es die eine, perfekte Lösung nicht gibt, sondern alles immer ein Kompromiss bei beschränktem Wissen ist, dann ist es eine spannende Sache.
Dann geht es nicht darum, dass die »Guten« über die »Bösen« siegen, sondern dass man versucht, jedem gerecht zu werden und trotzdem eine funktionierende, ausführbare Lösung findet.
Also ein Roman, in dem ständig diskutiert wird? Wohl eher nicht.


Der böse König

Ich habe in meinem Roman »Drachenfeuer und Meeresglut« natürlich auch eine einzelne Protagonistin, Soledad, die ihre Kämpfe fechten muss.
Aber die eigentliche Geschichte ist der Kampf der Stadt um eine demokratische, gerechte Regierung gegen den Clan des Bürgermeisters, der sich alles unter den Nagel reißt.
Soledad, die nicht aus dieser Stadt stammt, muss lernen, wie eine Demokratie funktioniert. Dass es nicht damit getan ist, dass es am Ende einen neuen Bürgermeister gibt.
Sondern dass sich alle irgendwie einigen müssen. Dass unterschiedliche Wünsche aufeinanderprallen. Dass Macht nicht bei in einer Person oder Gruppe liegen darf.
Es gibt also schon einen Kampf von »Gut« gegen »Böse«: Den gegen den »bösen König«, einer Person, die sich die Macht unter den Nagel gerissen hat und den Rest der Gesellschaft tyrannisiert.

Strukturen und Dynastien

Der böse König ist weg, die gütige Königin herrscht über das Land und alles ist gut? Leider nein. Die Geschichte zeigt, dass sich in jeder Gesellschaft Herrschaft dynastisch entwickelt. Das heißt also, die gütige Königin stirbt irgendwann. Und dann übernimmt jemand aus ihrer Familie oder des Hochadels die Herrschaft.
Mit jedem Jahr, in dem diese Gruppe an der Macht ist, sammelt sich Reichtum und Einfluss an, bis irgendwann eine klare Trennung zwischen Adel und dem gemeinen Volk entsteht.

Die Herrschenden sind nur noch damit beschäftigt, ihre Privilegien zu schützen, die sie aber für selbstverständlich erachten.
Wenn sich die Umstände ändern, z.B. durch Invasionen von außen oder durch eine Umstellung der Wirtschaft, wie wir das während der Industrialisierung hatten, dann kommt eine neue Gruppe ins Spiel, die sich die Macht holen will. In Deutschland wurde das Problem »elegant« gelöst, in dem man die Großindustriellen in den Adel aufgenommen hat.
Wenn sich also für die Unterprivilegierten etwas ändern soll, dann müssen sich Strukturen ändern.
Es reicht nicht, dass die gütige Königin über den bösen Herrscher gesiegt hat. Denn dann sind all die, die nicht adelig sind, auf die Güte der Monarchin, aber auch auf deren Durchsetzungsfähigkeit angewiesen.
Auch im kleinsten und letzten Dorf muss sichergestellt werden, dass die Regeln für alle gelten und sich niemand bereichern darf und niemand unterdrückt wird.

Checks and Balances

Unsere Gesellschaft ist pluralistisch, wir leben in einer globalen Welt und die Geschwindigkeit, mit der sich unsere Technik und unser Umfeld ändern, sind vergleichslos.
Niemand, egal wie intelligent oder begnadet, kann hier alleine Entscheidungen treffen, die für alle Menschen, egal wo und ob jetzt oder in der Zukunft, das Beste sind.
Wir werden immer Kompromisse machen, die jemandem benachteiligen oder für die eine Gruppe Ressourcen abgeben muss.
„Und sie lebten alle glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende“: Das war und ist eine Utopie.
Akzeptieren wir das jedoch, dann tun sich Handlungsspielräume auf. Dann können Strukturen geschaffen werden, in denen solche Entscheidungen auf Augenhöhe getroffen werden.
In denen es Institutionen gibt, die Schwächere schützen und die Gierigen in ihre Schranken weisen.

Die Heldin, der Held bist du

Unsere Gesellschaft ist hektisch, kompliziert und wir sind alle irgendwie damit beschäftigt, mithalten zu können.
Doch muss das so sein? Müssen wir all die Dinge haben, die uns die Werbung und die sozialen Medien als unbedingt nötig anpreisen?
Oder gibt es andere Möglichkeiten, das nagende Gefühl von Leere und Nichtbeachtetwerden zu füllen?
Sind die Versprechungen von individueller Freiheit und materieller Sicherheit wirklich so verlockend? Oder ist es nicht vielmehr so, dass uns ein Platz in einer Gemeinschaft, die uns wohl gesonnen ist, doch viel mehr geben kann?
Eine Yacht, eine Villa und ein schicker Flitzer machen glücklich und zeigen der Welt, dass man es geschafft hat. Aber dieses Gefühl nutzt sich ab. Nach einer Weile nimmst du deinen Besitz für selbstverständlich oder bist davon besessen, ihn nicht wieder zu verlieren.
Engagierst du dich aber für eine gute Sache, dann erlebst du jedes Mal diese tiefe Befriedigung des »Dazugehörens«. Dein Leben hat einen Sinn und du weißt, dass es Menschen gibt, die für dich da sind, wenn du nicht mehr auf der Gewinnerseite stehst. Werde also zum Held, zur Heldin deiner eigenen kleinen Welt.

Und vergiss den Prinzen auf seinem weißen Pferd. Wir leben im Zeitalter der Düsenjets.

Wenn du keinen Beitrag mehr versäumen willst, dann hol dir meinen Newsletter. Du bekommst einmal im Monat Buchtipps, meine Internetfunde und vieles mehr.

Hier geht’s lang.


Cookie Consent mit Real Cookie Banner