Es gibt grob gesagt zwei Schreibtypen: Pantser, die einfach drauflosschreiben, und Plotter, die alles vorher durchplanen.
Ich persönlich finde eine gewisse Struktur hilfreich. Zum einen, weil diese Muster sich bewährt haben. Die Heldenreise oder das Plotten nach den 15 Beats wurden schon so oft verwendet, dass das Publikum sie unterbewusst erwartet. Dadurch wird z.B. Spannung aufgebaut, ohne dass man sie explizit in den Text schreiben muss.
Außerdem hat man damit eine gewisse Kontrolle über den Text. Wenn ich merke, dass der Wordcount in einem Bereich riesig ist, der laut Plotmuster gar nicht so lange sein sollte, dann werde ich dort vermutlich kürzen müssen, um den Spannungsbogen der Geschichte aufrecht zu halten.
Wie also plotte ich?
Die Clustermethode
mein erster Schreibratgeber war „Kreativ schreiben“ (ich habe meine Lieblingsratgeber hier zusammengestellt). Damals habe ich nur Gedichte geschrieben und auch nur für mich, weil ich durch den Deutschunterricht davon überzeugt worden bin, dass ich nicht schreiben kann.
Bei der Clustermethode notiert man ein Thema in der Mitte eines Blatts und ergänzt darum assoziativ Begriffe und Gedanken – ähnlich wie bei einer Mindmap, aber wesentlich unstrukturierter und damit auch kreativer. Diese Technik nutze ich bis heute, besonders bei Blogartikeln und wenn ich so gar keine Ahnung habe, wo die Reise hingeht.
Für Tipps rund um Sachtexte kann ich im übrigen die Schreibschneiderei empfehlen.
Die Prämisse
Einige Jahre später wollte ich an einer Kurzgeschichtenausschreibung teilnehmen, aber mehr als mir den Ratgeber: „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ von James N. Frey zu kaufen und durchzuarbeiten habe ich dann bis zum Abgabetermin nicht geschafft. Doch es war eine Grundlage gelegt. Vor allem das Konzept der „Prämisse“ ist seitdem in meinem Kopf. Das Ganze ist in der Schreibbubble ziemlich umstritten.
Aber was man wirklich mitnehmen kann: Bleib bei einem Thema. Das ist übrigens auch das, was Becky von der Schreibschneiderei immer predigt. Sonst wird ein Text ein beliebiges Geschwafel.
Schneeflockenmethode
Meine eigentliche Schreibkarriere begann mit der Schreibwerkstatt von Jacky . Dort bin ich dann auf die Schneeflockenmethode gestoßen.
Im Original beruht sie auf dem Ratgeber »How to Write a Novel: The Snowflake Method« von Randy Ingermanson. Sehr schön aufbereitet findet man sie auf Jackys Blog.
Im Grunde geht es darum, erst einmal einen Satz zu schreiben, der die Geschichte zusammenfasst. Dann erweitert man diesen auf einen Absatz, dann schreibt man eine kurze Charakterdarstellung und wie bei einer Schneeflocke wird man immer detaillierter.
Ich bin davon mittlerweile abgekommen, da ich das ziemlich viel Arbeit finde, die mir wenig bringt. Außer ich brauche ein Exposé, das bei dieser Vorgehensweise quasi nebenbei entsteht.
Die 15-Beats-Methode
Ich habe diese zuerst in unserer Vereinszeitschrift, dem Schreiberling entdeckt, wo sie sehr übersichtlich und kurz erklärt wird. Im Original kommt sie aus dem Ratgeber „Rettet die Katze“ von Blake Snyder, ein Buch, das auch andere wirklich gute Tipps enthält. (z.B. der Papst in der Badewanne)
Sie teilt die Geschichte in 15 Schlüsselszenen. Ich finde sie besonders hilfreich für Kurzgeschichten mit striktem Zeichenlimit: Indem ich den Umfang pro Beat plane, kann ich sehen, ob ich im vorgegebenen Rahmen bleibe oder anpassen muss. Ich nutze die Beats nicht dogmatisch, aber als Leitplanke sind sie sehr nützlich.
3-Akter
Dann gibt es natürlich den 3-Akter, den 5 Akter (den ich mittlerweile auch ganz gerne nutze). Das sind relativ grobe Strukturen, die ich jetzt nicht für einen Roman verwenden würde. Im Grunde ist das aber keine eigenen Plotmethoden, sondern eher die Standardstruktur. (Fast) jede Geschichte hat einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende.
Etwas detaillierter haben wir es ja im Deutschunterricht gelernt: Technik des Dramas (1863) entwickelte Gustav Freytag eine Dramentheorie, die Pyramide, mit Exposition, steigender Handlung, Höhepunkt, fallender Handlung und Auflösung.
Etwas ausgefeilter ist die 3-9-37 Methode, in der die einzelnen Akte noch kleiner aufgesplittet werden. Mit dieser Technik kann ich allerdings gar nichts anfangen, das ist mir definitiv zu mathematisch (nicht das ich kein Mathefan wäre, ich hatte immerhin Leistungskurs).
Falls du dich trotzdem mal einlesen willst: Christine hat das sehr schön erklärt.
Die Heldenreise
Einer der Klassiker schlechthin, mit dem ich aber so meine Probleme habe. Warum, erkläre ich in diesem Beitrag erklärt.
Eine ähnliche Plotstruktur ist das Plot Embryo von Dan Harmons, das Annika hier vergleicht.
Storygrid: Technisches Plotten mit Tiefgang
Was ich auch sehr gerne in meinen Geschichten anwende, sind die Vorgaben des Storygrids. Eine deutsche Version findest du bei Storyanalyse.
Es unterscheidet ein internes Genre (z. B. persönliche Entwicklung der Protagonistin) und ein externes Genre (z. B. Thriller, Liebesgeschichte).
Ein internes Genre ist z.B. »Worldview«. Damit ist gemeint, dass die Protagonistin ihre Weltsicht im Laufe des Romans ändert. Das geschieht in bestimmten Schritten und ich finde das hilfreich, um die Charakterentwicklung mit der nötigen Tiefe zu gestalten.
Dazu gibt es ein äußeres Genre, also z.B. das Action-Genre. Dort benötigt man dann obligatorische Szenen. Auch das ist wichtig, da das Publikum diese eben erwartet und sonst das Buch mit einer gewissen Enttäuschung zur Seite legt.
Beide Genres wirken zusammen: Eine Szene kann gleichzeitig Elemente beider Genres enthalten.
Das Storygrid bietet also ein sehr technisches Modell, das aus dem angelsächsischen Creative Writing stammt.
Schreiben wird dort als etwas gesehen, das man studieren und unterrichten kann. Während bei uns immer das Talent im Vordergrund steht (ich wusste meine ganze Schulzeit nicht, wie ich mein Schreiben verbessern kann, obwohl ich Deutsch Leistungskurs hatte), wird dort das Handwerkszeug unterrichtet. Zum Glück kommen wir auch von der reinen Literaturanalyse zum Schreibenlernen.
Ein ähnliches System scheint John Trubys 22 Steps zu sein, die er in The Anatomy of Story entwickelt hat. Ich habe es aber nicht selbst ausprobiert, eine Kurzfassung gibt es hier.
Plotpoints und Ähnliches
Viel Handwerkszeug kann man sich bei den Drehbuchautoren abschauen. So hat z.b. Dramaqueen ein sehr schönes Wiki, wie man Wendepunkte gezielt setzt, um Spannung zu erzeugen. Dieses Wissen hilft, Geschichten straffer und spannender zu gestalten.
Etwas Ähnliches findet man auch bei der 7 Punktestruktur von Dan Wells, die Emmie gut erklärt hat.
Eine Technik, auf ich bei der Recherche für diesen Beitrag gestoßen bin, ist der Mice Quotient nach dem Buch „Charakters and Viewpoints“ von Orson Scott Card. Gefunden habe ich das bei Storymonster und ich werde es sicher bei einer meiner Kurzgeschichten ausprobieren. Kennst du das schon?
Mehr Schreibratgeber findest du hier, ich werde den Artikel sicher immer mal wieder überarbeiten.
So plotte ich meine Projekte
Ich habe meistens eine Szene, eine Figur oder auch eine wage Idee vor mir. Beim Frühlingsfenster war das eine jahrhundertealte Person, die unglaublich viele Sprachen im Laufe ihres Lebens gelernt hat. Die hat mich immer wieder in ihren Bann gezogen. Also quasi die Frage: Was wäre, wenn so eine Person in dem ehrenamtlichen und sozialen Umfeld auftaucht, in dem ich mich befinde?
Es wurde aber lange keine Geschichte daraus, weil diese Figur als Protagonistin ungeeignet war. Als ich dann Lizzy erfunden hatte, war plötzlich auch die Kernidee geboren: Wie kann eine junge Frau ohne Macht oder sonstige Ressourcen gegen jemanden bestehen, der sich über die Jahrhunderte eben genau diese Möglichkeiten erworben hat? Und nebenbei noch magisch ist?
Hier habe ich sehr viel mit dem Worldview-Genre vom Storygrid gearbeitet.
Das war bei Drachenfeuer und Meeresglut anders. Das war ja ursprünglich ein Märchen, aber für die Ausschreibung zu lang und die Kürzung hat ihm nicht gutgetan. Es war dann nicht so einfach, daraus eine Novelle zu machen. Hier war mir der 15-Beat-Plot eine große Hilfe, weil ich so sehr schnell gesehen habe, wo ich die Geschichte wieder kürzen muss und wo sie noch zu dünn ist. Es hat mir auch geholfen, nicht ins „Schwafeln“ zu kommen, nur um Länge zu generieren.
Plotten für Großprojekte
Aktuell arbeite ich an einer Reihe von fünf Bänden. Diese sollen unabhängig voneinander lesbar sein, trotzdem in einer konsistenten Welt spielen und Figuren über die Bücher hinweg begleiten.
Hier war das Drachenfeuer der Zündfunke. Als ich zu dem Genre „Flintlock-Fantasy“ recherchiert habe, wurde immer wieder die Französische Revolution ins Spiel gebracht.
Grundlage ist nun ein Weltenbau, inspiriert von der Idee: „Was wäre, wenn die Französische Revolution in einem magischen Bayern stattgefunden hätte?“ Dafür habe ich Fachliteratur gelesen, Konfliktlinien skizziert und Charaktere entwickelt, die diese Konflikte verkörpern.
Da ich jahrzehntelange Erfahrung in Politik und Ehrenamt habe und Soziologin bin, gibt es natürlich eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Gegensätzen,die man in so einem Setting gut umsetzen kann. Denn ich möchte auch den Bezug zur Gegenwart und unserer aktuellen politischen Lage herstellen.
Jeder Band widmet sich einem anderen Aspekt wie sozialen Umwälzungen, Aufklärung oder Klassenkonflikten. Ich sammle zunächst Themen pro Band und erarbeite dann Spannungsbögen und Protagonist*innen, um die Geschichte kohärent aufzubauen.
Also wie plotten?
Der Weltenbau
Um Magie und Gesellschaft konsistent zu halten, habe ich mich erst einmal hierauf konzentriert. Für die historische Seite habe ich die einführende Literatur für die entsprechende Uni-Vorlesung durchgelesen. (Danke hier an meine Tochter, die das recherchiert hat)
Mehr dazu findest du in diesem Artikel.
Die Charaktere
Ich brauche zum einen Protagonisten, die die genannten Konflikte durchleiden. Und die haben dann wieder Freunde, Verwandte, Gegenspieler, die Dörfer und Städte müssen besiedelt werden, die einzelnen magischen Fähigkeiten sollen ausreichend personifiziert werden. Damit ich zumindest die wichtigen Charaktere gut kennenlerne, schreibe ich meine Kurzgeschichten nun möglichst mit diesen. Eine kannst du demnächst lesen, wenn du meinen Newsletter abonnierst.
Die einzelnen Bände
Die Romane sollen nicht aufeinander aufbauen. Das hat den Hintergrund, dass nicht jede Leserin sich gleich fünf Bücher kaufen kann und will. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Folgebände dann immer schlechter verkaufen. (Ja, ich muss auch schauen, wie ich zumindest die Kosten für Lektorat und Druck wieder hereinbekomme)
Zum anderen mag ich das aber selbst nicht, wenn ich nicht mit dem Thema anfangen kann, das mich gerade interessiert.
Also hat jetzt jeder Band eine magische Fähigkeit (bzw. ein Element) und einen Bereich, in dem die Revolution stattfindet. Hierunter fallen z.B. wirtschaftliche Umwälzungen wie die beginnende Industrie, die Aufklärung und damit der Schwund vorgegebener Glaubenssätze, der Konflikt von Arm und Reich, die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs und natürlich der Kampf der Demokratie gegen Monarchie und Oligarchie.
Du siehst, hier will eine Menge sortiert werden.
Im Moment sieht das so aus, dass jeder Band einfach eine Themensammlung ist.
Plotstruktur der einzelnen Bände
Ein Roman muss ja trotzdem einen Spannungsbogen und eine sinnvolle Struktur haben. Ich arbeite im Moment recht viel mit dem Storygrid, also schaue ich mir an, welches Genre jeweils passt. Dazu brauche ich aber erst einmal eine Protagonistin, weil ich so abstrakt dann auch nicht arbeiten kann.
Band I wächst bereits, hier habe ich schon einen großen Teil der handelnden Figuren und Konflikte.
Fazit:
Mein wichtigster Tipp: Lerne dein Handwerkszeug. Starte mit einer Methode, wende sie an, bis du sie wirklich verstehst. Danach kannst du neue Techniken ausprobieren und kombinieren. Mit der Zeit findest du heraus, was zu dir und deinem Projekt passt.
Und dann geht das Spiel auf der nächsten Ebene los: Wie schreibe ich eine Szene, was ist „Show don’t tell“ und warum finde ich den Papst in der Badewanne so wichtig.
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