Bücher schaffen Welten.
Nicht nur imaginäre, sondern auch die Welt, in der wir leben.
Sie zeigen uns Lebensentwürfe und transportieren, was die Gesellschaft für wünschenswert hält und was nicht.
Das ist bei der Mutterrolle nicht anders.
Selbst wenn eine Autorin eine originelle Figur erschafft, so bezieht sie sich trotzdem auf die herrschende Konvention, gegen die sie den Charakter dann absetzt.
Nur ist die Rolle der Mutter in unserer Gesellschaft eine sehr widersprüchliche, der von vielen Seiten gegensätzliche Zwänge aufgedrückt werden.
Das erste Bild, das einem in unserem Kulturkreis in den Sinn kommt, ist die Mutter Gottes mit dem Jesuskind auf dem Schoß. Sie geht vollkommen in ihrer Rolle auf. Nie wird Maria anders wahrgenommen.
Stets ist sie nur Mutter.
Mit der Vorstellung, sie sei Jungfrau gewesen, wird ihr sogar eine eigenständige Sexualität abgesprochen.
Dem gegenüber steht die moderne Frau. Fit, perfekt in Form und Aussehen. Gebildet und erfolgreich im Beruf, leidenschaftliche Geliebte und engagierte Aktivistin.
Die kapitalistische Logik verlangt von ihr zum Einen, dass sie am Erwerbsleben teilnimmt, da nur kapitalisierbare Tätigkeiten als solche gewürdigt werden. Zum anderen wird ihr durch die Werbung und die Medien suggeriert, dass sie und ihr Körper ständig ungenügend sind und sie deshalb passende Produkte konsumieren muss, um diesen Mangel abzustellen.
Viel Zeit, um die demütige und hingebungsvolle Mutter zu sein, bleibt ihr da nicht. Wie spiegelt sich das dann in den Büchern?
Bei der Müttermafia von Kerstin Gier wird das ganze Panorama an möglichen Mutterkonstellationen abgearbeitet, inklusive einer Frau, die Mutter sein möchte, es aber nicht wird.
Diese Reihe bezieht ihren Charme daraus, dass die Klischees überzogen und hinterfragt werden. Damit das funktioniert, müssen diese aber bei der Leserin bekannt sein.
Egal wie die Autorin es macht, sie kommt nicht aus dieser Zwickmühle heraus.
Was könnten wir Schreibenden also tun?
Zunächst einmal: Bewusstsein bei sich selbst zu schaffen.
Zu überlegen, ob man die Rollenbilder bedienen will und warum.
Sich ggf. über die eigene Mutterrolle oder das Verhältnis zur eigenen Mutter klar sein.
Viele Romane setzen dort an: Der Autor erzählt aus seiner Kindheit und reflektiert die Rolle seiner Mutter in seinem Leben. Das müssen nicht unbedingt dramatisch Erlebnisse sein, aber selbst wenn eine Schriftstellerin ihre Mutter als liebevoll und fürsorglich empfindet, transportiert sie damit doch eine Norm.
Wir sollten uns beim Schreiben zudem bewusst machen, dass wir ein schwieriges Mutterbild aus der NS-Zeit übernommen haben, dass sich auch im harten Umgang mit den Kindern zeigt.
Und dann nachdenken, wie es anders sein könnte.
Sich überlegen, welche Bedürfnisse Kinder im jeweiligen Alter haben und wie diesen durch andere Personen begegnet werden kann. Vielleicht zeigen, wo es hinführt, wenn eine Frau die herrschenden Rollen zu erfüllen versucht. Und wer welchen Preis dafür zahlt.
Gerade im Fantasybereich bietet es sich auch an, eine Gesellschaft zu erschaffen, in der die gängigen Verhaltensmuster und Systeme eben nicht auf die Mutter und das Kind wirken. Sondern vielleicht mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben bleibt und nicht mit allem und ständig Geld und Konsum vorherrschen. Eine Alternative zum Patriarchat.
Weil Bücherwelten eben auch die reale Welt beeinflussen.
Welche Mütterfiguren haben dich in Romanen beeindruckt? Oder schreibst du selbst über dieses Thema?
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