Irgendwer hat dir gesagt, du sollst dich ehrenamtlich engagieren. Oder es wäre hilfreich für dein Netzwerk. Und ja, eigentlich möchtest du ja schon gerne Gutes tun. Aber so richtig überzeugt bist du nicht. Also schiebst du es immer vor dir her. Vielleicht kann ich dich hier davon überzeugen, dass es auf jeden Fall einen Versuch wert ist.
1. Du lernst neue Leute kennen
Wir haben zwar das Gefühl, durch das Internet mit der ganzen Welt verbunden zu sein. Dennoch steigt die Zahl derer, die sich einsam fühlen. Oder du hast viele Freunde und Bekannte, aber die sind alle aus deiner eigenen Bubble. Egal aus welchem Grund, es tut immer gut, neue Leute kennen zu lernen. Man erweitert seinen Horizont und im ehrenamtlichen Umfeld schaut man aufeinander. Und das Thema Netzwerken erledigt sich quasi von alleine.
2. Du lernst dich selbst kennen
Wir leben in einem Alltag, in dem wir uns mehr oder weniger gut auskennen. Für deinen Job hast du eine Ausbildung gemacht. Deine Hobbys hast du danach ausgesucht, ob zu dir passen. Doch wenn du in einem Verein tätig wirst, stellst du möglicherweise fest, dass du ein Organisationstalent bist. Oder deine Stärke in der Betreuung von aufgedrehten Kindern liegt. Und selbst falls du hier bemerkst, dass genau das nicht deins ist: Nirgends sonst hast du so eine tolle Möglichkeit, dich auszuprobieren. Wenn es dir nicht entspricht, dann machst du halt was anderes. Du musst deinen Job nicht dafür kündigen.
3. Du lernst neue Fähigkeiten
Das ergibt sich quasi aus Punkt 2. Ich habe im Ehrenamt gelernt, Reden zu halten und zu moderieren. Durch meine Sportstunden hat sich das Lampenfieber von ganz alleine reduziert. Wenn man jede Woche zweimal vor einer Gruppe steht, dann gewöhnt man sich irgendwann daran. Vor allem, weil man regelmäßig gutes Feedback bekommt. Und ja, man lernt auch, mit Kritik umzugehen. Irgendwer motzt immer rum. Aber dadurch, dass in einem Verein im Normalfall ein gutes Gemeinschaftsgefühl herrscht, wirst du mit dem Kritiker nicht alleine gelassen.
4. Du gibst deinem Leben einen Sinn
Ich habe gelesen, dass Reiche keine sozialen Dinge tun müssen, weil sie auch ohne Berufung glücklich sind. Da ich nicht reich bin (und es auch nicht sein will) kann ich das nicht beurteilen. Aber für den Rest der Welt ist es nachgewiesen, dass ein Sinn im Leben gut für die Psyche ist. Gerade Menschen, die in Rente gegangen sind, haben durch ein Ehrenamt einen Grund, morgens aufzustehen. Aber auch bei sinnlosen Brotjobs macht es den Alltag schöner, wenn man nebenher etwas Gutes tun kann.
5. Du erlebst Sachen, die sonst keiner sieht.
Ich war eine Zeit lang Sprecherin eines Arbeitskreises, der die sozialen Institutionen unseres Viertels vernetzt hat. Die Treffen waren jedes Mal in einer anderen Einrichtung und einmal auch in der örtlichen Polizeiinspektion. Dort wurde uns die Zelle gezeigt und wir durften da kurz hineingehen. Bei einer weiteren Tätigkeit habe ich eine Übung der Flughafenfeuerwehr und eine Führung durch die Bühnen- und Technikbereiche von Theater und Oper miterlebt. Das sind alles spannende Momente gewesen, die ich sonst nie gehabt hätte.
6. Du kannst Geld verdienen
Das ist nicht das Erste, was man bei einem Ehrenamt erwarten darf. Viele Dinge sind tatsächlich unentgeltlich, und wenn, dann wird eine geringe Aufwandsentschädigung gezahlt. Es kann keinen regulär bezahlten Job ersetzen, aber es ist interessant, falls man z.B. wegen Kinderbetreuung nicht arbeiten kann oder will. Ein paar Stunden in der Woche als Übungsleiter bedeutet Fitness und ein kleines Taschengeld. Und falls man die Turnriege betreut, in der das eigene Kind ist, dann heißt das unter Umständen auch, dass man dem Kind etwas bieten kann, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen.
7. Du kannst Ansehen erwerben
»It’s nice to be important, but it’s more important to be nice« das Zitat von Scooter ist natürlich richtig, aber das eine schließt das andere ja nicht aus. Und manchmal tut es dem Ego einfach gut, wenn man das Gefühl hat, wichtig zu sein. Beim Klassentreffen kann man mit dem einen oder anderen Titel auch bei der »mein Auto, mein Haus, meine Yacht« Typen punkten. Und hat noch ein gutes Gewissen dabei.
8. Du wirst das Gefühl der Selbstwirksamkeit haben
Das Gegenteil von Macht ist Ohnmacht. Wenn man sich engagiert, dann verändert man etwas. Im Normalfall ja Dinge, die man so nicht haben will. Der Dienst im Tierheim verringert Tierleid, die Leitung einer Seniorensportgruppe hilft den alten Leuten, ihre Gesundheit und damit ihre Selbstständigkeit und Lebensfreude aufrecht zu halten. Wer Nachhilfe im Nachbarschaftszentrum gibt, verschafft Kindern einen guten Start ins Leben. In der Psychologie nennt man das auch Selbstwirksamkeit und ist etwas, was für unsere mentale Gesundheit sehr wichtig ist.
9. Du verstehst, wie unsere Gesellschaft funktioniert (das, was man nicht in der Schule lernt)
Ich möchte jetzt gar nicht damit anfangen, dass man in der Schule weder lernt, seine Steuererklärung zu machen, noch wie man einen Verein gründet. Aber die Erkenntnisse, die man aus dem Maschinenraum der Gesellschaft bekommt, ist für mich einer der wichtigen Gründe, warum ich gerne ehrenamtlich tätig bin. Am Stammtisch sagt es sich leicht. »Man müsste mal…«, »Die Politiker sollten einfach…«. Bist du aber selbst in der Materie und versuchst, etwas zu ändern, dann werden dir die Strukturen bewusst und du hältst deine einfache Lösung plötzlich nicht mehr für so toll. Oder umgekehrt, du weißt jetzt, welche Fäden du ziehen musst, damit deine Idee Realität wird.
10. Du bekommst die Chance, Ängste zu überwinden und aus der Komfortzone zu kommen. Im Ehrenamt ist unperfekt die Norm
Der Unterschied zwischen Profi und Amateur ist nicht nur, dass der Profi seinen Lebensunterhalt damit verdient. Sondern auch der Anspruch, dass sie vorher die Fähigkeiten erwirbt, um ihren Job zu machen. Im Ehrenamt ist es eher umgekehrt. Da ist eine Tätigkeit zu erledigen und die Person, die es sich am ehesten zutraut, macht es dann. Natürlich gibt es auch hier Ausbildungen. Übungsleiterinnen brauchen eine Lizenz, Jugendleiter die Jugendleiterausbildung und ein erweitertes Führungszeugnis. Aber bei beiden kann man erst mal reinschnuppern, eine Gruppenleitung unterstützen. Im Normalfall wechselt man vom Schüler zum Lehrer, wenn man lange genug dabei ist. All das macht es einem leichter, aus seiner Komfortzone heraus zu kommen und sich eben mal vor die Gruppe zu stellen, statt sich in der letzten Reihe zu verstecken. Ich kenne viele, die von ihrer Trainerin sanft dazu überredet wurden, die Ausbildungen zu machen und ihren Job zu übernehmen. Davor hätte jeder von ihnen geschworen, er kann das nicht.
11. Du wirst vielleicht deinen Traumjob oder deine Berufung finden
Das ist dann die Konsequenz von oben. Du machst einen Übungsleiterschein, stehst vor der Gruppe und stellst fest, dass dir das Spaß macht. Also bildest du dich weiter. Irgendwann gibst du so viele Stunden, dass für deinen langweiligen Bürojob keine Zeit mehr bleibt. Du machst dich selbstständig und hast deinen Traumjob gefunden. Es kann auch sein, dass du beim Kontakt mit den Vertreterinnen der Stadt auf ein gutes Jobangebot hingewiesen wirst, weil die dringend einen neuen Kollegen suchen.
12. Du wirst cool vor den eigenen Kindern dastehen
Ich habe im letzten Wahlkampf eine Rede im Festzelt gehalten. Das war das erste Mal, dass mich meine Kinder bei so etwas erlebt haben. Das Erlebnis, dass sie in Ehrfurcht erstarren, hat man bei Teenagern ja sonst nicht so oft.
13. Du wirst Infos bekommen, die du sonst nicht hättest
Natürlich kann man sich heute im Internet über was auch immer informieren. Aber wie ich es oben schon mit dem Jobangebot anklingen lassen habe, manchmal findet man die wichtigen Dinge halt nicht online. Nicht alles ist digital, vieles geht über eingeschliffene Kanäle. Und wäre es nicht gut, da auch dabei zu sein? Letztlich ist das Vereinsleben und die Lokalpolitik die Gesellschaft, die das Leben in unserem Land ausmacht. Und ja, es macht natürlich Arbeit und ist anstrengender als Netflix zu Bingen. Aber wie heißt es so schön: Besser dabei sein als nur Zuschauerin im eigenen Leben.
14. Du willst doch nicht die Kohlen im Keller zu putzen
Stichwort Langeweile. Wer kennt es nicht: Da kommt das Wochenende, das Wetter ist so mittel und von den Freunden hat auch keiner Zeit. Du willst aber etwas anderes tun, als nur vor der Glotze zu hängen. Also wird geputzt und geräumt und aussortiert. Wenn man das lange genug gemacht hat, dann tut man das, was ich als die Kohlen im Keller putzen kenne: eigentlich vollkommen sinnloses Zeug. Wäre es da nicht besser, mit den Kumpels vom Verein endlich mal das Vereinsheim neu zu dekorieren oder bei den Pfadfindern das Material für fit für das nächste Lager zu machen? Absacker nach getaner Arbeit inklusive.
15. Du wirst als Trainerin den inneren Schweinehund überwinden
Die einfachste Art, sich für regelmäßigen Sport zu motivieren, ist die Leitung einer Gruppe. Da brauchst du schon eine sehr gute Begründung, um nicht hinzugehen. Kann ich aus eigener Erfahrung nur empfehlen.
16. Du bekommst eine Tagesstruktur
Das ist eher ein Thema für Menschen, die nicht (mehr) im Berufsleben stehen. Wenn jeder Tag gleich abläuft und man selbst für seine Termine zuständig ist, dann hilft es, regelmäßig einer Tätigkeit nachzugehen. Dann gerät man nicht in endloses Getrödel, weil man ja rechtzeitig zum Vorlesen im Kindergarten da sein muss oder das Bürgerzentrum die Vorstandssitzung angesetzt hat. Ein nachgewiesenes Instrument gegen Demenz und Depressionen, v.a. im Alter.
17. Du hast das Gefühl, etwas Gutes zu tun
Das ist mein letzter Punkt. Natürlich ist es das Erste, was die meisten mit Ehrenamt verbinden. Aber ich wollte euch hier zeigen, dass man keine Heilige sein muss, um damit anzufangen. Es geht nicht darum, zu entscheiden, ob man seine Zeit und Energie für sich oder für andere aufwendet. Sondern dass beides geht. Solange man nicht über seine Grenzen geht und die eigenen, nötigen Bedürfnisse ignoriert, ist soziales Engagement eine win-win-Situation.
Ich hoffe, ich habe Dich jetzt ein bisschen auf den Geschmack gebracht. Aber falls dein Akku leer ist oder du das jetzt erst mal sacken lassen möchtest, kannst du dich inzwischen in einem Fantasyroman mit dem Thema beschäftigen.
Im Roman »Das Frühlingsfenster« habe ich meine Erfahrungen in eine spannende Geschichte rund um Lizzy und ihren Job im Bürgerzentrum eingebracht. Viel Spaß beim Lesen.
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